Bandgeschichte
1979 – 1992
RAZZIA wurde im Winter 1979 / 80 im Hamburger Stadtteil Langenhorn von den Brüdern Andreas (Gitarre) und Peter Siegler (Schlagzeug) sowie Thomas Harm (Bass) gegründet.
Inspiriert von lokalen und internationalen Punk-Bands waren sie dabei völlig unbelastet von musikalischen Vorkenntnissen oder Fähigkeiten. Für den ersten Auftritt auf einem Schulfest in der Fritz-Schumacher Schule in Hamburg-Langenhorn stieg Frank Endlich als Gitarrist in die Formation ein, da Andreas an den Gesang wechselte. Nach dem Konzert beendete er seine Karriere als Sänger jedoch abrupt, so dass RAZZIA sich fortan mit zwei Gitarristen präsentierte.
Ein neuer Sänger wurde mit Rajas Thiele schnell gefunden, der vorher bei einer Gruppe namens FRUST 81 das Schlagzeug bearbeitete. Er konnte durch seine Qualitäten als Frontmann überzeugen und von RAZZIA abgeworben werden. Thomas Harm verließ 1980 die Band und wurde durch den Bassisten Thorsten Hatje ersetzt. Weitere Auftritte lagen an, darunter auch größere Gigs auf Festivals in Hannover und Bremen, zu denen SLIME verhalf (einige Mitglieder dieser Gruppe kamen ebenfalls aus Langenhorn). Durch SLIME entstand der Kontakt zu Karl Walterbach, dem damaligen Chef des Berliners AGR-Labels (Aggressive Rockprodukt-ionen). Er stellte in dieser Zeit grade eine Compilation-LP mit deutschen und US-amerikanischen Punk-Acts zusammen, dessen Name „Underground-Hits Vol. 1“ lautete, zu dem RAZZIA zwei Titel beitrugen. Neben TOXOPLASMA, NEUROTIC ASSHOLES und CHAOS Z waren auf dem Sampler auch international bekannte US-Bands wie BLACK FLAG, BAD BRAINS oder ANGRY SAMOANS zu hören, wodurch RAZZIA schlagartig einen Bekanntheits-grad erlangte, der weit über die BRD hinausging.
Nachdem Thorsten Hatje danach die Band verlassen hatte, stieß Sören Callsen 1982 als Bassist hinzu. Gerade rechtzeitig um in den folgenden Jahren unzählige Auftritte zu absolvieren und auf diversen Samplern vertreten zu sein. Außerdem stand die erste LP an. Mit dem Namen „Tag ohne Schatten“ wurde sie 1983 bei dem Hamburger Label WEIRD SYSTEM veröffentlicht. Aufgenommen in mehreren einzelnen Aufnahmeblöcken im Berliner Studio MUSIC LAB und dem ULTRASCHALL-STUDIO in Hamburg-Altona wird sie von vielen als Meilenstein des deutschen Punks bezeichnet. Die Kombination aus anspruchsvollen deutschen Texten und schnellem, energiegeladenen Punkrock, fand großen Zuspruch und verhalf RAZZIA zu einem Platz unter den wichtigsten deutschen Punk-Bands.
Nach diversen Auftritten im Inland, konnten nun auch Gigs in Schweden, Norwegen, Dänemark, Spanien, Österreich und der Schweiz absolviert werden. 1985 entstanden bei einem Konzert im Ballhaus Tiergarten die Aufnahmen für die Mini-LP „ Los Islas Limonados“. Danach beendete RAZZIA die Zusammenarbeit mit Weird System.
Das dritten Album „ Ausflug mit Franziska“, das Anfang 1986 auf dem eigenen Label TRITON erschien, zeigte textlich wie musikalisch eine neue Ausrichtung. Die vollständige Abkehr von klischeehaften Parolen in den Texten und die Hinzunahme eines Keyboardes stieß vielen eher konservativen Leuten in der damaligen Punk-Szene vor den Kopf. Produziert in Hildesheim im MASTERPLAN-Studio wird es als erste deutsche Post-Punk-Produktion angesehen. Damit war es RAZZIA gelungen, richtungsweisende Alben zu veröffentlichen. Obwohl der Keyboarder Jan-Friedrich Conrad die Band nach dem Einspielen seiner Tracks noch im Studio verließ, fand die Band in Andrea Messerschmidt und kurze Zeit danach in Bernhard Waack geeignete Keyboarder.
Größere Schwierigkeiten gab es als ungefähr gleichzeitig Gründungsmit-glied Peter Siegler zu DESTINATION ZERO wechselte. Er wurde durch den Schlagzeuger Marcel Zürcher ersetzt, der aber im Gegensatz zu den anderen Band-Mitgliedern eher aus der Gothic-, Dark-Wave-Szene kam. Er spielte das Album „Menschen zu Wasser“ von 1989 mit ein, auf dem sich die Band musikalisch und textlich noch weiter vom Punk entfernte. Das Album ist geprägt von einer düsteren Atmosphäre und einem schleppendem Sound. Noch im Studio verließ wieder einer der Musiker die Gruppe, diesmal Marcel der Schlagzeuger. Das gab Peter Siegler die Möglichkeit zurückzukehren. Er erklärte sein Engagement bei D-ZERO für beendet und wurde wieder in der Band aufgenommen. Leider blieb es nicht bei diesen Umbesetzungen, da als nächster Frank Endlich die Gitarre an den Nagel hängte.
Um erste Ideen für die „Spuren“ zu sammeln hatten sich Peter, Andreas, Sören und Bernhard über Sylvester 1989/90 ein paar Tage in ein kleines Haus hinterm Elbdeich in Brunsbüttel zurückgezogen. Dort entstanden erste Ansätze für die nächste Platte. Die Band hatte jetzt musikalisch den Höhepunkt ihrer Fähigkeiten erreicht. Die Arbeit an dem Album zog sich über das folgende Jahr hin, es wurden unterschiedliche Studios ausprobiert, sehr viele Sessions gemacht (auch mit anderen Musikern) und spontan Titel eingespielt.
Während der Produktion des Albums verließ Sören Callsen die Band, er steuerte aber noch viele Texte und ungefähr die Hälfte der Bassspuren bei. Den Rest spielte Christian Both ein, vorher Bassmann bei DESTINATION ZERO, während Keyboarder Bernhard Waack sich nun auch an der Gitarre versuchte und einige Tracks übernahm. Die Erstveröffent-lichung von „Spuren“ war für die Musiker im Bezug auf das Layout ein Schock. Das Coverbild zeigte ein Ölbild das Christian Both nach dem Selbstmord von Stefan Kleine (Schlagzeuger bei MASSAKER und WOWBAGGER) gemalt hatte. Umrahmt wurde es von einer quietschblauen Farbfläche, versehen mit Bonbon-farbener Schrift. Ein Unfall im vordigitalen Zeitalter. Dazu ein schlecht gemasterter Sound. Beides wurde mit der Neuauflage des Albums 2014 beim Label COLTURSCHOCK verändert und verbessert. Nach der Erstveröffentlichung der „Spuren“ 1991 auf TRITON wurde Bernhard Waack durch Martin Siemßen an der Lead-Gitarre ersetzt, der auch auf dem „Live“-Album zu hören ist, das 1992 in der Hamburger „Fabrik“ aufgezeichnet wurde. Der Live-Mitschnitt, der einen hervorragenden Querschnitt der beliebtesten Titel der Band bietet, wurde von Rajas Thiele, Peter und Andreas Siegler, Christian Both und Martin Siemßen eingespielt und war das vorletzte Konzert vor der offiziellen Auflösung der Band.